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Eines
Tages, am 3. Juni hißte eine polnische Abordnung auf dem Rathaus ihre Fahne und
gaben Böllerschüsse ab. Sie hatten somit die Verwaltung übernommen. Anfangs
zeigten sie sich ganz vernünftig und die russischen Überfälle hörten auf.
Aber nach und nach rissen sie alle Macht an sich.
Sie
setzten einen polnischen Bürgermeister und viele Polen in die Verwaltung der
Stadt. Die deutschen Beamten mußten weichen. Es wurde eine gänzlich große Mißwirtschaft.
Die Geschäftsleute erhielten einen polnischen Verwalter und mußten für sie
arbeiten ohne richtige Bezahlung. Die Bauern waren nur noch Knechte auf ihren
eigenen Besitzungen und die Polen arbeiteten nichts, sondern ließen alles Vieh
abschlachten und Kuchen backen, sie haben nur gut essen und trinken wollen.
Keine Bäuerin durfte für sich etwas nehmen, sei es an Milch; jeden Löffel mußten
sie sich zuteilen lassen. Nun nahmen die Aufregungen kein Ende mehr. Wir trauten
uns nicht einen Spaziergang weiter als auf den Friedhof oder zu unserem
Schrebergarten zu machen. Nun ging auch die Beschlagnahme von Wohnungen los.
Euere Urgroßmutter und Großtante
Else hatten in ihrer Wohnung einige Male russische
Offiziere beherbergen und verpflegen müssen aber von den Polen wurden
sie gleich zu Anfang aus der Wohnung geworfen. Sie durften sich noch Wäsche und
Kleidung und etwas Hausgeräte mitnehmen. Wir nahmen beide in unserem Hause auf.
In einem möblierten Zimmer konnten sie vorerst bleiben. Ihre anderen eigenen
Sachen kamen in unsere Bodenkammer. So ging es ein paar Wochen. Alle Männer,
auch Euer Opa mußten abwechselnd in der Nacht
auf Wache ziehen nur zum Schein. Nun drangen öfters der polnische
Polizeikommandant mit mehreren Milizsoldaten in die Wohnungen und nahmen
Kleidung und Wäsche weg. Auch in unserem Hause geschah es. Wir versteckten nun
alle entbehrlichen und guten Sachen bald im Boden, bald im Keller. Wir lebten in
dauernder Angst. Wir hatten auch von Verwandten aus Berlin einen ganzen Schrank
voll guter Sachen wegen der dortigen Bombengefahr verwahrt, sowie auch eine
Heiratsausstattung von Bekannten aus Beuthen. Wir bangten nicht nur um unsere
eigenen Stücke, sondern auch noch um das fremde Eigentum. Dazu kam die
schreckliche Verordnung, daß alle Flüchtlinge die Stadt verlassen mußten, die
nicht seit 1938 wohnhaft waren. Unsere Breslauer und Beuthener Flüchtlinge
wurden mit vielen anderen ausgetrieben, die Miliz tobte mit Revolver und
Reitpeitsche. Nun sollten auch Eure Mutter und
Ihr kleinen Kinder von hier weg, da Ihr erst 1944 wieder nach Wünschelburg zurückgekommen
wart. Wir weinten und zitternden. Eure Mutter
versuchte bei dem russischen Kommandanten in Glatz eine Ausnahmegenehmigung zu
bekommen. Aber die Fahrt war vergeblich. Dann erlaubte der polnische Bürgermeister
auf Opas Bitten das Dableiben bis Euer Brüderchen
geboren wäre. Wir kamen einige Tage zur Ruhe. Nachts saßen wir bis Mitternacht
hinter den Gardinen und beobachteten die Straße was wieder Neues passieren würde.
Am 7.August früh um 8 Uhr erschienen 4 Milizsoldaten und einige Kommandanten
und besichtigten unser aller Wohnungen. Wir erschraken furchtbar. Ich hatte
gerade in der Nacht 4 Koffer aus dem Versteck geholt um umzupacken, damit wir es
Familienweise geordnet hätten, diese Koffer nahmen sie uns bald weg.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Wolfgang Leier
Internet: wleier@t-online.de
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